Lernen, kreativ sein, toben
Die heutige Rechenaufgabe entführt Luca und Joris in ein Ausflugslokal. 22 Kinder bestellen dort Apfelsaft und Spaghetti. Wie oft muss der Kellner laufen, bis er alles am Tisch hat? Die beiden Jungs grübeln. „Na, wie weit seid ihr?“, fragt Elena Wurster, Betreuerin in der Offenen Ganztagsschule (OGS) der Grundschule Bad Brückenau. Fünf Mal, fanden die Drittklässler heraus, muss der Kellner mit seinem Tablett hin- und herlaufen, bis jedes der Kinder seinen Saft hat. War doch gar nicht so schwer gewesen!
Vor allem Luca zerbricht sich gern über schwierigen Aufgaben den Kopf. Rechenkünste wird er später mal gut brauchen können, meint der Achtjährige: „Ich will Baggerfahrer oder Fliesenleger werden.“ In beiden Berufen kommt man nicht ohne Mathe aus. Auch sein Banknachbar Joris hat schon Zukunftspläne: „Ich werde Polizist!“ Aber bis dahin müssen die beiden Jungs noch eine Menge lernen. Was sie in der Grundschule, aber auch in der vom Kolping-Bildungszentrum Schweinfurt organisierten OGS tun.
Seit Beginn dieses Schuljahres sorgt Kolping dafür, dass 57 der rund 170 Grundschüler nach dem Unterricht betreut werden. Das Angebot startete im September, weil der gebundene Ganztag nicht mehr fortgeführt werden konnte, erläutert Schulleiterin Barbara Buz. Der Wechsel zur Nachmittagsbetreuung von Kolping hätte nach ihrer Ansicht kaum reibungsloser vonstatten gehen können. Es gelang sogar, drei Fachkräfte aus dem gebundenen Ganztag zu übernehmen.
Sowohl die Kinder als auch ihre Eltern schätzen, was das achtköpfige OGS-Team montags bis donnerstags jeweils von 11.15 bis 15.30 Uhr anbietet – vom Mittagessen über die Hausaufgabenbetreuung bis hin zu den Arbeitsgruppen. Selbst ein Russisch- und ein Deutschkurs sind in die OGS integriert. „Mehrere unserer Kinder sprechen Russisch“, erklärt OGS-Leiterin Tanja Nickola-Spahn. Für ihre Sprachentwicklung sei es wichtig, auch Muttersprache gut zu beherrschen. Einmal in der Woche backen die Kinder in der Schulküche zusammen. Ein Angebot, das immer auf große Begeisterung stößt.
„Heute war das Mittagessen wieder sehr lecker“, schwärmt Lea aus der dritten Klasse, die zweimal in der Woche den Offenen Ganztag besucht. An diesen beiden Tagen muss ihre Mutter, eine Busfahrerin, länger arbeiten. Lea ist froh, dass sie nicht alleine daheim auf Mama warten muss. Zusammen mit Angelina, ihrer aus Moldawien stammenden Banknachbarin bei der Hausaufgabenbetreuung, lernt sie gerade ein Gedicht auswendig. Es stammt vom Joseph von Eichendorff und handelt von Weihnachten: „Bis Mittwoch muss ich es auswendig können.“
Während Lea, Angelina, Luca und Joris noch über ihren Hausaufgaben brüten, dürfen sich Maximilian, Stefania und Alessandro aus der zweiten Klasse bereits kreativ austoben. Marion Löffler zeigt ihnen heute, was man aus Baumscheiben alles machen kann. „Wir haben in diesem Schuljahr schon viel gebastelt“, erzählt Stefania. Jedes Stück kommt in ihr Kinderzimmer, wo es das Mädchen daran erinnert, was sie alles Tolles mit ihren Händen gestalten kann. Das eine oder andere erhält auch Mama zum Geschenk. Die freut sich über alles, was Stefania selbst macht.
Lebhaft geht es unten in der Turnhalle bei Klaus Sieß zu. Während der Sport-AG bringt der Handballer den Erst- und Zweitklässlern bei, wie man einen Ball greift, wirft und fängt. „Viele Kinder haben heute Probleme mit ihrer Beweglichkeit und ihrer Koordination“, sagt der Bezirksauswahltrainer für Unterfranken im Jugendbereich. Hier will das OGS-Konzept gegensteuern. Nach langem Schulbankdrücken haben die Kinder zweimal in der Woche Gelegenheit, sich bei Klaus Sieß auszutoben.
Zunächst sind die Kleinen dran, ab halb drei erobern die Dritt- und Viertklässler die Halle. Die meisten kennen Klaus Sieß schon, engagiert sich der Sportler doch bereits seit fünf Jahren in der Grundschule. Einige der Kinder, die gerade in die Halle stürmen und sich einen Ball schnappen, sind inzwischen bei ihm im Verein. Shami zum Beispiel. Der syrische Junge, der vor knapp zwei Jahren mit seinen Eltern nach Deutschland kam, liebt Ballsportarten über alles. „Wenn ich groß bin, werde ich Profifußballer“, ist der Drittklässler überzeugt.
„Die Grundschule Bad Brückenau bietet uns ideale Bedingungen für den Offenen Ganztag“, so OGS-Leiterin Tanja Nickola-Spahn. Nicht jede Schule, weiß sie, stellt so bereitwillig die Sporthalle und die Schulküche am Nachmittag zur Verfügung. Überhaupt sei die Kooperation mit dem Rektorat und dem Lehrerkollegium prima. „Wir ziehen aber ja auch alle an einem Strang“, meint dazu Rektorin Barbara Buz. Geht es doch gemeinsam darum, die Kinder bestmöglich zu fördern. Kognitiv. Kreativ. Und sportlich.